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Deutschland Bezahlte Auszeit nach Geburt

Warum ein Vater die Ampel-Regierung auf Schadensersatz verklagt

Politik-Redakteurin
Erwerbstätige Väter können ihren Anspruch auf eine vergütete Auszeit hierzulande bislang nicht geltend machen (Symbolfoto) Erwerbstätige Väter können ihren Anspruch auf eine vergütete Auszeit hierzulande bislang nicht geltend machen (Symbolfoto)
Erwerbstätige Väter können ihren Anspruch auf eine vergütete Auszeit hierzulande bislang nicht geltend machen (Symbolfoto)
Quelle: Getty Images/Westend61
Das EU-Recht sieht eine vergütete Auszeit für erwerbstätige Väter kurz nach Geburt des Kindes vor. Die Ampel aber setzt das Vorhaben vorerst nicht um. Ein Vater zieht nun vor Gericht. Sein Anwalt rügt, der Vorgang sage „in erschreckender Weise“ etwas über die Regierung aus.

Eigentlich hatten die Ampel-Parteien sich in ihrem Koalitionsvertrag klar festgelegt. „Wir werden Familien dabei unterstützen, wenn sie Zeit für Erziehung und Pflege brauchen und dabei Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich aufteilen wollen“, heißt es dort. Und dann: „Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen.“

In der EU gilt die zehntägige vergütete Auszeit schon seit 2019; bis zum 1. August 2022 hätte Deutschland die sogenannte EU-Vereinbarbarkeitsrichtlinie eigentlich in nationales Recht umsetzen müssen. Für die überwiegenden Teile der Richtlinie ist das Ende 2022 auch erfolgt.

Doch weil Familienministerin Lisa Paus (Grüne) mit ihrer „Familienstartzeit“ einen eigenen Gesetzentwurf für den bezahlten Vaterschaftsurlaub nach Geburt plant, wurde dieser Teil der Richtlinie nicht umgesetzt. Zudem habe Deutschland mit Elternzeit und Elterngeld ohnehin bereits weitreichende Regelungen, heißt es im Familienministerium.

Der Referentenentwurf zur Familienstartzeit wiederum liegt wegen Streitigkeiten über die Finanzierung seit einem Jahr auf Eis. Und genau das könnte der Bundesregierung noch Probleme bereiten. Denn beim Landgericht Berlin hat am Mittwoch erstmals ein Vater eine Klage auf Schadensersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht.

Der Mann, dessen Kind im Sommer 2023 zur Welt gekommen war, hatte bei seinem Arbeitgeber zwei Wochen Vaterschaftsurlaub beantragt. Doch weil die EU-Richtlinie noch nicht in deutsches Recht umgesetzt ist, wurde der Antrag abgelehnt; der Mann sah sich deshalb gezwungen, Teile seines regulären Erholungsurlaubes zu verbrauchen.

Mit seiner Schadensersatzklage macht er jetzt den Abgeltungswert des verbrauchten Urlaubs als Schaden gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend. Der Vater wirft dem deutschen Staat in der Klageschrift vor, dass ihm ein finanzieller Schaden entstanden sei, weil die Vereinbarkeitsrichtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt worden sei. Vertreten wird er dabei von den Berliner Anwälten Remo Klinger und Sandra Runge.

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Für die Anwälte ist die Sache eindeutig. „Vaterschaftsurlaub ist kein wohltätiger Akt, sondern ein Rechtsanspruch“, sagt Klinger. Der Bund mache sich schadensersatzpflichtig, wenn er die seit 2022 umzusetzende EU-Richtlinie nicht umsetzt. „Dem Finanzminister sollte dies klar sein.“ Die Nichtumsetzung der EU-Richtlinie stelle einen Verstoß gegen EU-Recht dar, sagt Anwältin Sandrea Runge.

Dass die Regierung bewusst ein EU-Vertragsverletzungsverfahren in Kauf nehme und die Einführung der Familienstartzeit verschleppe, zeige „in erschreckender Weise, wie wenig politischer Wille vorhanden ist, Familien echte Vereinbarkeit zu ermöglichen“. Ein gesetzlich garantierter Schonraum unterstütze Familien und ganz besonders Mütter in der hochsensiblen Zeit nach einer Geburt. „Gleichzeitig trägt es dem Wunsch vieler Väter Rechnung, sich ohne finanzielle Einbußen und Rechtfertigung gegenüber dem Arbeitgeber der Familie zu widmen und Fürsorgearbeit zu übernehmen.“

Ministerin Paus sieht keinen Verstoß

So sieht es eigentlich auch Familienministerin Paus. Ihr Haus ist zwar der Auffassung, dass Deutschland wegen der umfassenden Elterngeld-Regelungen nicht gegen die EU-Richtlinie verstoße. Mit der Familienstartzeit will sie aber dennoch Anreize schaffen, dass Väter in der herausfordernden Zeit des Wochenbetts frühzeitig ihrer Fürsorgeverantwortung gerecht werden. Auch Alleinerziehende sollen eine Person benennen, die sie nach der Entbindung unterstützt.

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„Mit dem Anspruch auf die vergütete Freistellung direkt nach der Geburt unterstützen wir Eltern zielgenau, sich in der frühen Familienphase partnerschaftlich einzuspielen“, heißt es im Familienministerium. „Oft stellen Paare gerade dann zentrale Weichen für ihre Aufgabenverteilung bei der Familien- und Erwerbsarbeit. Wir wissen: Die Aufteilung zu Beginn prägt die Aufgabenteilung in Familien.“

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Doch bisher hakt es an dem Streit über die Finanzierung. Paus will die Finanzierung der Väter-Auszeit ähnlich regeln wie den Mutterschutz, also per Umlageverfahren: Arbeitgeber zahlen das Gehalt weiter, können es sich anschließend aber aus einem Solidartopf der Arbeitgeber erstatten lassen. Die FDP stellt sich hier hingegen quer, sie befürchtet neue Belastungen für die Wirtschaft. Jetzt könnte der Streit per Gerichtsbeschluss entschieden werden.

Für die Anwälte des Klägers jedenfalls steht fest: Sollte das Gericht feststellen, dass dem Vater ein Schadensersatzanspruch zusteht, sei davon auszugehen, dass auch weitere Väter Anspruch auf Schadensersatz einklagen werden.

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