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Wirtschaft Neues Postgesetz

Streit um Subunternehmen-Verbot bei Kurierdiensten – Wird der Paketversand teurer?

Korrespondent
Woman using smartphone to sign for parcel delivery Woman using smartphone to sign for parcel delivery
Courier handing over package asking female customer to do electronic signature, delivering, receiving, efficiency Getty ImagesGetty Images
Quelle: Getty Images/10'000 Hours
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Vorbild Fleischwirtschaft: Die Gewerkschaft Ver.di will per Gesetz erzwingen, dass Paketfahrer direkt bei Paketdiensten angestellt werden müssen. Das soll die Arbeitsbedingungen der Zusteller verbessern. Sollte es so kommen, dürfte das auch preisliche Auswirkungen für die Endkunden haben.

Worum geht es

Zur Begrüßung zeigt Andrea Kocsis ihrem Gast in ihrem Büro am Berliner Ostbahnhof ein kurzes Video. Der Film des NDR-Fernsehens spielt im Arbeitsgericht Oldenburg, zu sehen sind mehrere Männer in einem Gerichtssaal. Es sind Paketboten aus Rumänien, die für einen Fuhrunternehmer aus Westerstede in Niedersachsen Sendungen ausgefahren haben.

Für zwei Monate haben sie keinen Lohn erhalten, es geht um Summen zwischen 2000 Euro und 6000 Euro. An seiner Adresse ist der Subunternehmer nicht anzutreffen. Der Paketdienst United Parcel Service (UPS) war sein Auftraggeber. Die Richterin spricht den Fahrern den Anspruch zu. Doch ob sie jemals an ihr Geld kommen werden, ist fraglich.

Kocsis ist Vizechefin der Gewerkschaft Ver.di und zuständig für Paketdienste und Logistik. „Diese Jobs gehören zu den prekärsten, die es in unserem Land gibt“, sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende. Ihre Forderung an Arbeitsminister Hubertus Heil lautet: In der Paketbranche sollen Subunternehmer verboten werden. Stattdessen sollen die Fahrer direkt von den Paketdiensten angestellt werden.

Als Vorbild nennt Kocsis die Fleischwirtschaft, in der Minister Heil in der Zeit der Corona-Pandemie genau solch ein Gesetz durchgesetzt hat. Seit Anfang 2021 dürfen in den Betrieben nur noch regulär Beschäftigte Fleisch schlachten, zerlegen und verarbeiten. Doch diesmal komme aus dem Arbeitsministerium keinerlei Initiative, beklagt sich die Gewerkschafterin. Nach dortiger Aussage gibt es rechtliche Hürden.

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Jetzt tut sich noch ein anderer Weg auf: Ab Anfang Februar wird ein neues Postgesetz, die erste Neufassung der wichtigsten Regeln im gesamten Postbereich nach einem Vierteljahrhundert, zunächst im Bundesrat und dann im Bundestag in mehreren Schritten diskutiert und bearbeitet. Ende März und Ende April stehen dann Abstimmungen in beiden Parlamenten an, das Gesetz benötigt ein Mehrheitsvotum von beiden Institutionen.

Für die Gewerkschaft Ver.di dürfte das die entscheidende Zeit für das Ansinnen sein, selbst wenn die Vizechefin es abmildert. „Mir ist es egal, ob wir ein Verbot von Subunternehmern im Postgesetz regeln oder in einem anderen Gesetz, Hauptsache, es kommt“, sagt Kocsis.

„Jeder einzelne Rechtsverstoß ist einer zu viel“

Wie nicht anders zu erwarten, lehnen die betroffenen Paketdienste eine Direktanstellung der Paketfahrer ab. „Ein Verbot von Vertragspartnerschaften in der Paketbranche ist rechtlich unzulässig. Es würde tief in die Berufsfreiheit der Partnerunternehmen eingreifen“, sagt Marten Bosselmann, Vorsitzender im Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK). Hier sind etwa die Paketdienste Hermes, DPD, GLS, UPS und GO organisiert.

Mit Vertragspartnerschaften sind Subunternehmer gemeint. Sie seien unverzichtbar für die Paketbranche. „Alle Paketdienstleister, die im gesamten Bundesgebiet zustellen, schließen Werkverträge mit Transportpartnern ab“, sagt Bosselmann. Sie nutzten damit die Vorteile der arbeitsteiligen Wirtschaft. Jeder einzelne Rechtsverstoß sei einer zu viel. Ein systemisches Problem liege in der Paketbranche jedoch nicht vor, heißt es dort weiter.

Quelle: Infografik WELT

Doch die Lage in diesem harten Wettbewerb stellt sich oftmals anders dar. Deutschland hat im europäischen Vergleich mit die niedrigsten Paketzustellpreise. Im Durchschnitt zahlen die Versender aus dem Onlinehandel nach Branchenangaben etwa drei Euro je bundesweiter Zustellung.

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Die Arbeitsbedingungen der Paketfahrer sind bei etlichen Subunternehmen kritisch bis gesetzeswidrig. Eine Bezahlung zum Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro je Stunde, Arbeitszeiten jenseits der zulässigen acht Stunden am Tag und Paketmengen von 200 Sendungen und mehr je Schicht – dies ist an einigen Stellen Alltag in dem Gewerbe.

Auch Amazon beschäftigt Subunternehmer

Während die Deutsche Post in der Briefzustellung sowie beim Paketdienst DHL nahezu vollständig mit eigenen Mitarbeitern arbeitet, ist dies bei Hermes, DPD oder GLS anders. Auch der Onlinehändler Amazon gehört mit seiner eigenen Zustellorganisation zu dieser Gruppe.

Dort sind die Zusteller bei Subunternehmern angestellt, die meist als Kurierdienst firmieren. Lediglich UPS arbeitet teilweise mit eigenen Fahrern. Die Branche ist sehr kleinteilig: Von den rund 14.000 Kurierfirmen im Land haben etwa 90 Prozent zwischen einem und zehn Mitarbeiter.

In den vergangenen Jahrzehnten ist es den Gewerkschaften und der Politik kaum gelungen, die Arbeit der derzeit rund 360.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Paketfahrer über Gesetze zu regeln und Standards durchzusetzen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass es über eine gesetzlich festgeschriebene Quote einen Anteil an Paketfahrern in den Paketdiensten gibt, die bei dem Unternehmen angestellt sein müssen.

Da diese Art der Beschäftigung für die Zustelldienste mit höheren Kosten und auch mit höheren Löhnen verbunden ist, dürfte es zu Preissteigerungen im Paketversand kommen. Nicht zuletzt Onlinehändler dürften dies an ihre Kunden weiterreichen.

Systemwechsel im Postgesetz bringt große Veränderungen

Tatsächlich enthält das geplante Postgesetz in seiner jetzigen Form bereits Regeln, die die Situation der Zusteller verbessern können. So ist es vorgesehen, dass sich Kurierdienste zunächst mit umfangreichen Daten registrieren lassen, bevor sie in der Postzustellung tätig werden. Bestehende Firmen müssen die geforderten Angaben nachreichen, allerdings soll hierfür eine Übergangsfrist von drei Jahren gelten.

Die Detailfragen reichen weit: Ein Geschäftsplan wird ebenso abgefragt wie Angaben zu Arbeitszeiten, Löhnen, Paketmengen oder zur Fahrzeugflotte. Zuständig dafür ist die Bundesnetzagentur. Anschließend sollen die Kurierdienste jährlich überprüft werden.

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Dieser Systemwechsel im Postgesetz dürfte zumindest langfristig für Veränderung sorgen. In Zukunft soll es für Kurierfirmen nämlich keine einfache Anzeigepflicht für ihren Betrieb, sondern eine umfangreiche Genehmigungspflicht geben. Etliche Hinterhof-Kuriere dürften den Aufwand nicht bewältigen wollen oder ihn von vorneherein meiden und sich aus dem Gewerbe zurückziehen. Manche Firma mit inakzeptablen Arbeitsbedingungen könnte auf diese Weise vom Markt verdrängt werden.

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Es gibt durchaus Stimmen aus den Unternehmen, die auf eine derartige Verbesserung der Arbeitsbedingungen drängen. „Nach meiner Schätzung könnten fünf bis zehn Prozent der Kurierfirmen die Hürden des neuen Postgesetzes nicht nehmen und aus dem Markt verschwinden“, sagt Andreas Schumann. Er ist Vorsitzender im Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste und vertritt rund 5000 Kurierdienste. „Wer nicht einmal diese Formalitäten schafft, hat im Zustelldienst auch nichts zu suchen“, sagt Schumann.

Die Konsequenz wäre, dass die „Billigheimer“ aus dem Markt gedrängt würden. Gemeint sind jene Subunternehmer, die die Preise im Wettbewerb um Aufträge von den Paketdiensten unterbieten und deren Fahrer am Ende zu kaum akzeptablen Bedingungen arbeiten müssen. Eine weitere Folge wären höhere Preise. „Sollte es zu einem Firmensterben kommen, würde das am Ende die Zustellpreise erhöhen“, sagt Schumann.

Druck auf das Thema kommt auch aus Bundesländern, in denen sich die Arbeits- und Sozialministerien für die Abschaffung der Subunternehmer in der Paketbranche starkmachen. So fordern die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Einer der Wortführer ist der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann. Da das neue Postgesetz mit Mehrheit der Länderstimmen vom Bundesrat beschlossen werden muss, könnten die Landespolitiker dort Einfluss nehmen.

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