Einen besseren Einstand als Ulrich Reuter kann sich ein neuer Chef kaum wünschen. Eigentlich. Doch der seit Anfang Januar amtierende Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) frohlockte trotz eines deutlich gestiegenen Gewinns allenfalls gedämpft, als er in Frankfurt erstmals die Zahlen der Institutsgruppe für ein abgelaufenes Jahr präsentierte. Diese seien „ein schönes Ergebnis“, aber „kein Grund zur Euphorie“, sagte Reuter.
Für die Zurückhaltung gibt es gleich mehrere Anlässe. Dabei sieht das Zahlenwerk auf den ersten Blick geradezu triumphal aus. So konnte der Verbund, dessen Kern die aktuell 353 selbstständigen deutschen Sparkassen bilden, den Jahresüberschuss innerhalb eines Jahres von 11,6 auf 18,2 Milliarden Euro steigern.
Neben den Zinseinnahmen konnten die Institute dabei auch beim Überschuss aus Gebühreneinnahmen zulegen, etwa für Konten oder den Verkauf von Wertpapieren. Und nach Jahren des Abbaus hat sich sogar die Mitarbeiterzahl bei rund 191.000 stabilisiert.
Reuter selbst merkte jedoch an, dass die Sparkassen mit diesem Ergebnis zumindest bei den für sie zentralen Zinseinnahmen „wohl den Gipfel gesehen“ haben dürften. Tatsächlich spiegeln sich in ihren Zahlen viele aktuellen Unsicherheiten.
Da ist zum einen die deutlich eingetrübte Wirtschaftslage. Zwar erklärte der Sparkassenpräsident, dass er nicht mit einer „Pleitewelle“, sondern mit einer Normalisierung der über Jahre extrem niedrigen Insolvenzahlen rechne. Schon 2023 ist die Risikovorsorge im Kreditgeschäft jedoch deutlich von 500 Millionen auf 2,3 Milliarden Euro gestiegen.
Zudem legten die Institute insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro als sogenannte Vorsorgereserve zurück. Diese bildet eine Art Sicherheitspuffer für magerere Zeiten.
Atmosphärische Ziele hinter der Demut?
Die maue Stimmung drückte auch auf die Kreditnachfrage. Im Geschäft mit Privatkunden ging der Forderungsbestand zum ersten Mal seit Jahren zurück, der Abschluss neuer Immobilienkredite brach um mehr als 40 Prozent ein. Aber auch bei Unternehmenskunden und Selbstständigen fiel die Vergabe neuer Darlehen im Vergleich zum Vorjahr um fast 30 Prozent.
Insbesondere mittelständische Unternehmen hielten sich wegen „großer Unsicherheiten über die Zukunft“ zurück, sagte Reuter. Eine Trendwende sei angesichts des angeschlagenen Vertrauens in den Wirtschaftsstandort Deutschland in diesem Jahr kaum zu erwarten.
Mit seiner demonstrativen Bescheidenheit dürfte Reuter auch ein atmosphärisches Ziel verfolgt haben. Seit der Zinswende der Europäischen Zentralbank Mitte 2022 verfolgt die Sparkassen der Vorwurf, dass sie die verbesserten Konditionen kaum an ihre sparenden Kunden weitergeben und sich damit auf deren Kosten bereichern.
Passend zur Frankfurter Veranstaltung hatte das Analyseunternehmen Barkow Consulting die Kritik nochmals mit aktuellen Zahlen unterfüttert. Demnach zahlten Sparkassen ihren Kunden im Januar im Durchschnitt 0,52 Prozent für Tagesgeld. Über alle Anbieter hinweg lag die Verzinsung mit 1,6 Prozent deutlich höher.
Reuter verteidigte die Politik erstaunlicherweise in erster Linie damit, dass sie eigentlich im Interesse der Kunden sei. Denn ein Tagesgeldkonto, so erklärte er, sei für die Geldanlage überhaupt kein geeignetes Produkt. Folglich strebten die Sparkassen nicht nach „reiner Preisführerschaft“, sondern berieten ihre Klientel dabei, wie sie mit anderen Angeboten „für einen längerfristigen Horizont“ bessere Renditen erzielen könnten.
Das komme beim relevanten Publikum gut an. Tatsächlich zeigt sich dieses weitgehend treu, der Einlagenbestand ging im abgelaufenen Jahr nur um zwei Prozent auf rund 865 Milliarden Euro zurück. „Unsere Kunden laufen den Zinsen nicht nach, für sie hat auch Sicherheit einen hohen Wert“, sagte Reuter.
Ob sie die ausgerechnet bei den von den Sparkassen vermehrt vertriebenen Zertifikaten finden, scheint jedoch fraglich. Der Umsatz mit den selbst für vorgebildete Anleger nicht immer leicht verständlichen und mitunter risikobehafteten Wertpapieren hat sich im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt.
Natürlich müsse vor dem Kauf eines Zertifikats immer angemessen beraten werden, sagte Reuter. Abgesehen davon rechne er damit, dass der Boom in diesem Jahr „etwas nachlassen“ werde. Es klang so, als wäre er ihm selbst nicht ganz geheuer.